Montag, 13. Dezember 2010

Den Papst zum Kindergärtner machen

Diese Redewendung sollte endlich den treuen, altgedienten Bock, dem man die impliziten Feldfrüchte im Garten des alten Sprichworts auf dem Altenteil ruhig gönnen mag, ersetzen. Sie beschreibt auch viel besser einerseits die Uneignung von Vertretern der Nationen von Pakistan und Saudi-Arabien und andererseits das Entsetzen und die Empörung deren ohngeacht diese Leute ausgerechnet in die neugegründete UN Women Vereinigung gewählt wurden.
Die Selbstbeschreibung lautet: "United Nations Entity for Gender Equality and the Empowerment of Women", also die Stelle der UN für Geschlechtergleichheit und die Ermächtigung von Frauen! Leider erstickt der Zynismus dahinter selbst meinen ansonsten unbestechlichen Sinn für Ironie und ich kann nur fassungslos den Kopf schütteln.
In diesem Gremium sollen also Vertreter von Ländern sitzen, in denen Frauen nicht nur mißhandelt, gefoltert, hingerichtet, klein und dumm gehalten und alles andere als ermächtigt oder gar gleichberechtigt (von gleichwertig zu schweigen) sind, sondern in den genau das zur Staatsräson gehört!!
Staatsräson deshalb, weil die Scharia, die in islamischen Ländern die Rechtsgrundlage bildet, es so vorsieht und der Islam keinen säkularen Staat, keine Trennung von Religion und Politik und keine Gleichberechtigung kennt.
Auch Pakistan? Ja, auch Pakistan ! Daß dort so getan wird, als herrsche Demokratie ist ja nett, aber hier eine kleine Sammlung von Fakten aus dem "Land der Reinen":
Laut Amnesty International akzeptieren mehr als 40 Prozent der Frauen häusliche Gewalt als Teil des Frauenschicksals. Obwohl sie gegen die geltende Verfassung verstoßen, gelten die Hadith-Verordnungen. Der Großteil der in diesem Land inhaftierten Frauen sitzt wegen "Ehebruch und Unzucht" im Gefängnis. Das ist nicht die Folge ihrer " lockeren" Moral, sondern des "Zina" -Paragraphen. Diese Gesetzesbestimmung räumt der Aussage einer Frau weniger Gewicht ein, als der eines Mannes.
Jedes Jahr werden ungefähr 1.000 Frauen Opfer von "Ehrenmorden".

Als Vergeltung für die „unerlaubte“ sexuelle Beziehung ihres Bruders zu einer Familienangehörigen wurde im Juni 2002 eine Frau von sechs Männern vergewaltigt. Im März 2005 wurden fünf Täter freigesprochen, der sechste bekam lebenslänglich.

Ein Unzuchtparagraph wird eingeführt, der nichtehelichen Geschlechtsverkehr zum Verbrechen erklärt.

Fünf Frauen weigerten sich verabredete Ehen einzugehen. Sie wurden an eine entlegene Stelle gebracht, wo auf sie geschossen wurde, anschließend wurden sie, noch lebend, begraben. Ein Parlamentsabgeordneter kommentierte den Vorfall als gerechtfertigtes, über Jahrhunderte gepflogenes Vorgehen.

Doch nicht ganz so appetitlich, oder? Man darf nun abwarten, wie sich die Vertreter dieser Nationen in dem Gremium gebärden. Ich erwarte ausschließlich unkonstruktive, reaktionäre Beiträge, mit denen versucht werden soll, die Ausweitung der Menschenrechte auch auf diese Frauen da, zu hintertreiben. Ich stelle mir auch vor, daß ein offizieller Abgesandter aus Saudi-Arabien, der plötzlich für die internationale Anerkennung und Durchsetzung der Gleichberechtigung mit allen (!) Implikationen eintritt, zu Hause vermutlich eine Fatwa kassiert und bei Rushdi einziehen muss.
Fehlt noch, daß der Vatikan einen Vertreter schickt...

Mittwoch, 13. Oktober 2010

Wovon man nicht sprechen kann,

darüber muss man schweigen. So empfahl es Wittgenstein in seinem Tractatus Logico-Philosophicus und es wäre zu wünschen, hielten sich auch die Vertreter einer bestimmten, mit weltweiten Verbrechen und institutionalisierter Fortschrittsfeindlichkeit und Amoralität assoziierten Organisation daran.
Der diesjährige Nobelpreis für Medizin wurde verdientermaßen Robert Edwards für die Durchführung der ersten künstlichen Befruchtung, die Erfindung der In-vitro-Fertilisation (IVF), verliehen, durch die er ungezählten Familien das zuvor verwehrte Kinderglück ermöglichen konnte. Eine großartige und für viele zuvor als fortpflanzungsunfähig geltende Frauen und Männer gnadenvolle Errungenschaft und eine weitere Möglichkeit, einer zuvor als schicksalhaft empfundenen Laune der Natur mit wissenschaftlicher Hilfe beizukommen.
Genügend und vernünftige Gründe, Lob und Dankbarkeit auszusprechen und einen Preis zu verleihen.
Nicht jedoch für besagte "Organisation", die sofort ihre maßgebliche Auffassung zur Preisverleihung kundtat:
Ich halte die Wahl von Edwards für vollkommen deplatziert.
So sprach Ignacio Carrasco de Paula, Leiter der "päpstlichen Akademie für das Leben" (ich hoffe, man ist sich vatikanseits der Ironie bewußt, die sich in der Bezeichnung und Existenz dieser Akademie, die ein passendes Pendant in der "chinesischen Akademie für Menschenrechte", der "englischen Akademie für gutes Essen und die Feier Frankreichs" und der "deutschen Akademie für Gleichbehandlung, Integration und Säkularisation" hätte, darstellt). Um die Maßgeblichkeit von Carrascos Äußerung richtig einschätzen zu können, wisse man, daß er "sich im Namen des Vatikans zu ethischen Angelegenheiten äußert", dessen Kompetenz in der Beurteilung von und dessen Wille zur Beseitigung der von ihm selbst verursachten "ethischen Probleme" ja immer wieder eindrücklich unter Beweis gestellt wird. Jedenfalls heißt es weiter:
Edwards hat das Problem der Unfruchtbarkeit nicht gelöst, sondern übergangen.
Ich habe mich zuerst über diese Kritik gewundert. Man sollte doch annehmen, daß die Kirche, die zur Fortpflanzung ja eigentlich die "gehet hin und mehret Euch"/Verhütungsmittel-sind-des-Teufels-sterbt-ruhig-an-AIDS-solange-ihr-vorher-noch-kleine-Christen-gebärt-Einstellung vertritt, eine Möglichkeit zur Zeugung von Kindern, die zuvor nicht hätten gezeugt werden können, bejubelt, oder?
Doch tatsächlich hat der Vatikan die von Edwards entwickelte In-Vitro- Fertilisation bereits 1987 kritisiert. Die Methode sei unmoralisch, weil sie die natürliche sexuelle Vereinigung von Mann und Frau ersetze.
An dieser Stelle eine kleine Information aus der Realität: Lieber Vatikan, die "natürliche sexuelle Vereinigung von Mann und Frau" klappt bei den meisten Paaren, die IVF in Anspruch nehmen sogar ganz ausgezeichnet und Du darfst mir glauben, daß diese Paare sich vor, während und nach der durch IVF ermöglichten Schwangerschaft (sehr) natürlich sexuell vereinigen können, wollen und werden. Das heißt, folgender Dialog "Du, wollen wir uns auf natürliche Weise sexuell vereinigen?" "Ach nein, Notwendigkeit und Bedürfnis dazu wurden doch durch unsere IVF ersetzt!" dürfte zu den eher selteneren Kommunikationsphänomenen zwischen IVF-Paaren gerechnet werden.
Du mußt, lieber Vatikan, wissen, daß es in dieser verrückten Zeit heute tatsächlich möglich ist, die "sexuelle Vereinigung" von dieser "gehet hin und mehret Euch"-Sache, abzukoppeln. Ich weiß, ich weiß, das magst Du gar nicht hören, klingt ja auch komisch, ist aber so. Vielleicht hat Dir Dein teurer Beraterstab, die einfach "den Finger am Puls der Zeit haben" das aber mittlerweile doch irgendwie "verklickert", so daß Du heuer noch mit folgendem Argument gegen die IVF aufwartest: Du kritisierst, diese Methode habe
eine Vielzahl von Kühlschränken gefüllt mit Embryonen, die in Reagenzgläsern nur darauf warten, zu sterben
zur Folge. Ich wüßte gerne, ob das ein rein algebraisches Argument ist, ob der Vatikan also eine Liste führt, in der auf der linken Seite nicht-verwendete "Morituri"-Embryonen und auf der rechten durch IVF ermöglichte, geborene Christen-Kinder addiert werden und seine Position zur IVF schließlich durch den Vergleich der Summen bestimmt. Solche Argumentationseffizienz wäre den werten Herrschaften durchaus zuzutrauen, im Seelengeschäft wird schließlich knallhart kalkuliert.
Aber ernsthaft, ich glaube, ich verstehe langsam, was wirklich dahinter steckt. Es geht, wie immer, um Kontrolle und Macht:
Kontrolle zunächst über die Fortpflanzung und Sexualität und damit die stärksten Triebfedern des Menschen. Es war ein Geniestreich der Religionen, die Sexualität zu verdammen und als ewig-sprudelnde Quelle der Sünde (ein Konzept, dessen kongenialer Ersinnung sie sich ebenfalls rühmen darf) und damit Generator von Schuldgefühlen zu installieren. Wenig wird mehr begehrt als sie, wenig ist, angesichts des Biologischen Imperativs der Proliferation mehr erstrebenswert. Es war also teuflisch-genial, den Gläubigen weiszumachen, daß ihre jeweilige Gottheit die Sexualität, die Lust und die Freude daran, verachte und strafe und damit einen ewigen Kreislauf von Lust, Angst und Reue anzustoßen, der stets neue Sünder erschafft, die aufgrund ihres allzu natürlichen und unausweichlichen Bedürfnisses immer wieder sündigen und zur Erlösung davon vermeintlich der Religion bedürfen und damit - dann darum ging es immer nur - abhängig wurden und sind. Jede Errungenschaft also, die dem Menschen ein höheres Maß an Kontrolle über Sexualität und Fortpflanzung ermöglicht, seien es Verhütungsmittel, sei es die Gleichberechtigung von Homosexuellen, sei es Aufklärung oder eben Fortschritte in der Reproduktionsmedizin muß daher als Bedrohung eines der wichtigsten Instrumente zur Aufrechterhaltung der Abhängigkeit verstanden werden.
Der Machtaspekt ist etwas stärker chiffriert: Es ist im Grunde genommen eine Variation des Themas, das schon damals mit der Kritik und dem Verbot der Pockenimpfung durch den damaligen Paten Papst Leo XII. gespielt wurde (nebenbei: ist es nicht empörend, daß der gemeine Mensch dem armen lieben Gott durch wissenschaftliche Forschung und den Segen der Impfung einfach die guten Pocken weggenommen hat? Damit haben wir den lieben Gott ja quasi gezwungen, sich AIDS als neue "Strafe" auszudenken - "Gott" bewahre, daß es dagegen jemals eine Impfung gibt!). Dieser Gott entschied demnach in Vor-Impf-Zeiten nach Gutsherrenart - so kennt man ihn-, wer an den Pocken erkrankt, wer stirbt und wer nur furchtbar entstellt, aber als Zeichen seiner großen und unverdienten Gnade dennoch überlebt. Solche Entscheidungsgewalt kommt in den Augen der Kirche dem lieben Gott offenbar auch bei der Reproduktion zu, indem er verfügt, wer sich fortpflanzen darf und wer nicht - und daran hat der Mensch nicht "rumzudoktern"!
Es geht hier also meiner Meinung nach um das "Hinnehmen" von "natürlichen" und der Auffassung dieser Leute zufolge "gottgegebenen" Zuständen und um die Kritik an der Auflehnung und dem Widerstand dagegen. Auch das, die Bereitschaft zur nichtinfragestellenden Duldung des Unvermeidlichen weil "von oben Gewollten", ist eine unersetzliche Machtbasis für die Religion. (Hierdurch erklärt sich vermutlich auch der vehemente Widerstand der Kirche gegen die Auffassung, daß Homosexualität einfach "so" und besonders häufig bei katholischen Priestern auftritt und damit möglicherweise am Ende gar "gottgewollt" wäre. Huch!) Ohne diese Duldsamkeit, die gerne als Demut ausgegeben wird und doch nichts weniger als Demut ist, wäre das schreiende Theodizee-Problem nicht zu bewältigen, die Menschen würden sich in Scharen von einem solchen Gott abwenden. So aber wird der vermeintliche "Wille Gottes" hinter für uns einfache Menschen unverständlich und beliebig wenn nicht zufällig wirkenden "Entscheidungen" verschleiert. Die Unbegreiflichkeit dieses Gottes wird dadurch so gleißend, daß dahinter seine Grausamkeit und tyrannische Willkür, die eigentlich die seiner Erfinder und Interpretatoren ist, verblasst.
Wenn nun aber durch menschlichen Erfindungsgeist immer mehr solcher Bastionen der Willkür geschleift, immer mehr "gottgewollte" Urteile zu nurmehr lösbaren Problemen reduziert werden, so muß der Hebel der Religionen immer mehr seiner Kraft einbüßen, im gleichen Maß, in dem das Vertrauen der Menschen zu Wissenschaft und Fortschritt gedeiht und die einschüchternde Gewissheit, sich niemals sicher fühlen zu dürfen, das Gefühl des hilflosen Ausgeliefertseins daran verdorrt.

Freitag, 24. September 2010

Des Werwolfs neue Kleider...

Was ist eigentlich Theologie? Wiki sagt mir:
Theologie (gr. θεολογία theología, von θεός theós „Gott“ und -logie) bedeutet übertragen „die Lehre von Gott“ oder Göttern im allgemeinen, und im besonderen die Lehre vom Inhalt des (meist christlichen) Glaubens und den Glaubensdokumenten.
und um es noch weiter zu präzisieren
Die Endung -logie kommt vom griechischen λόγος (Transliteration: lógos), bedeutet „Wort“, aber auch „Lehre“, „Sinn“, „Rede“, „Vernunft“ und bezeichnet in der Regel die Wissenschaft zu einem Gebiet.
Es gibt hier zunächst einen Widerspruch: entweder ist Theologie die Lehre oder die Wissenschaft von "Gott". Da sich Wissenschaften im Allgemeinen mit existenten Gegenständen, zumindest aber doch solchen, deren Existenz nicht mit gutem Grund bezweifelt werden muß, befassen, wäre es wohl unvernünftig, der Theologie den Status einer Wissenschaft einzuräumen, da für die Existenz einer Gottheit bislang keinerlei Belege vorliegen und man nach Ockham demnach provisorisch davon ausgehen sollte, daß eine Gottheit gar nicht existiert. "Lehre" (oder Leere?) passt da also schon besser, denn alles, was über den hypothetischen Gegenstand der Theologie zu vermitteln wäre, ist überliefert und übernommen und nicht experimentell ermittelt oder empirisch herausgefunden worden und kann daher nur gelehrt, nicht aber erfahren, gemessen, quantifiziert, belegt, eben reproduziert werden.
Ähnliches gilt für das jeweilige Hauptdokument der Theologie der drei großen monotheistischen Religionen: Bibel, Koran, Thora. Dafür, daß es sich dabei um durch eine übernatürliche Instanz "offenbarte" Bücher handelt, gibt es keinerlei Beleg. Damit sollten sie provisorisch als ganz normale Bücher aufgefasst werden, die Gegenstand der historischen und/oder Literaturwissenschaft sein mögen.
Wozu also braucht man die Theologie? Wie kann man sie rechtfertigen? Oder, wenn sie keiner Rechtfertigung bedarf, warum gibt es dann keine Studiengänge in "Werwolfologie", "Feenkunde", "Klingonischer Philologie", "Regionalwissenschaften Auenland" etc.? (Meine Kritik richtet sich übrigens nicht gegen diejenigen, die unter dem Deckmantel der Theologie in Wirklichkeit Sozial- oder Geschichtswissenschaft, Psychologie, Ethnologie oder vergleichende Religionswissenschaft betreiben. Ich bedaure lediglich, daß sich diese Leute nicht zu ihren echten und eigentlichen Wissenschaften, deren Methoden sie schließlich einsetzen, bekennen.)
Es ist schon beschämend und weist ein weiteres Mal auf die nicht vollzogene Trennung von Staat und Kirche hin, daß an deutschen Universitäten immer noch Theologie unterrichtet und also von Steuergeldern mitfinanziert wird. Hinzukommt, daß ausgerechnet die Kirchen ein breites Mitgestaltungsrecht der Curricula, Zulassungen etc. haben.
Die Kritik an der Theologie ist natürlich auch nicht neu. Man muß dabei aber beachten, welchen Aspekt man angreift, den Gegenstand der Theologie oder die Theologie selbst. Einleuchtend ist allerdings, daß die Theologie immer nur eine passive Verteidigung in Form von Versuchen der Entkräftigung oder Widerlegung der Argumente gegen sie unternehmen kann. Es ist ihr niemals gelungen, etwas neues hervorzubringen oder zu (er)schaffen, etwa, eine Hypothese zu entwerfen, die etwas zuvor Unverstandenes erklärt und nachträglich durch Evidenz gestützt wird oder die Vorhersage von Ereignissen ermöglicht.

Manche sehen daher auch zwei "Arten" der Theologie: die 'apologetische' und die 'substantive' Theologie.
Erstere befasst sich versuchsweise mit der Frage der Realität Gottes. Ob man dort neue "Gottesbeweise" ersinnt oder tatsächlich auf der Suche nach Evidenz ist, die die Hypothese, derzufolge die jeweils gemeinte Gottheit existiert, stützt, entzieht sich meiner Kenntnis. Soweit ich jedoch weiß, sind die Erfolge dieser Disziplin bislang eher überschaubar. Bevor ich mich daher von ihr abwende, möchte den zahlreichen Apologeten, die dies hier ja sicher lesen werden, noch rasch ein Problem vorlegen, das mir aufgefallen ist und zu dem ich gerne ihre Meinung wüßte:
Es wird doch durch alle Theologie immer behauptet und zwar axiomatisch, daß die jeweilige Gottheit allmächtig, allwissend und allgütig sei. Man darf also annehmen, daß sie nicht nur weiß, was war und ist, sondern auch, was sein wird.
Gleichfalls wird stets bekräftigt, daß der Wille des Menschen frei sei (Theodizee etc.). Die Prämissen lauten demnach:
I Gott ist allmächtig, allwissend und allgütig
II Der Mensch hat einen freien Willen.


Wenn beide Prämissen gültig sein und sich nicht a priori widersprechen sollen (auch nicht logisch in sich selbst, was bei Allmacht und Allwissendheit nicht trivialerweise angenommen werden darf), so muß folgen:

Gott nimmt zwar keinen Einfluss auf die Willensbildung des Menschen (weil er allgut ist), obwohl er es könnte (allmächtig), weiß aber dennoch bereits vorher, wie sich ein Mensch entscheidet, denn er ist allwissend und kennt damit auch die Zukunft.

Wenn wir dies annehmen, ergeben sich hieraus nun zwei mögliche logische Probleme:

1. Wenn Gott wirklich vorher weiß, wie sich ein Mensch entscheidet, so sind ihm (und waren es schon immer) alle Entscheidungen und damit auch alle daraus erwachsenden Konsequenzen bereits bekannt. Daraus folgt, daß Gott schon bei der Geburt, ja bei der Zeugung eines Menschen weiß, wie dieser dereinst enden wird (z.B. in der Hölle). Wenn Gott dann aber eine solche Existenz, die er ja, wie behauptet wird, einzeln gewünscht und eigenhändig beseelt hat, zulässt, von der er doch schon bei ihrem frühesten Beginn weiß, daß sie dereinst der ewigen Verdammnis anheim fällt, so wäre er kein allguter sondern ein zynischer sadistisch-voyeuristischer Gott. Damit wäre Prämisse I nicht haltbar.

(als eher philosophisches Argument könnte man auch noch anführen, daß es durchaus nicht leicht zu beantworten ist, ob ein Wille, dessen Entscheidungen bereits lange vor ihrer Bewußtwerdung zumindest einem (und selbst, wenn das Gott ist) bekannt sind, überhaupt als frei angesehen werden könne, in welchem Falle die Prämisse II ungültig wäre...)

2. Gott weiß tatsächlich nicht vorher, wie sich ein Mensch entscheidet, kennt also die Zukunft nicht und ist damit ipso facto nicht allwissend. Auch damit wäre Prämisse I nicht haltbar.

Die Logik lehrt uns: wenn eine logisch korrekte Folgerung nicht mit der empirischen (bzw. im Falle der Religion: angenommenen) Realität vereinbar ist, so muß mindestens eine der Prämissen falsch sein.
Wenn aber Prämisse I falsch ist, so entfällt zumindest ein fundamentales Charakteristikum der Gottheit aller monotheistischen Religionen: Allwissendheit oder Allgüte. Ohne jedoch von der absoluten Gültigkeit dieser beiden Attribute auszugehen, muß jede der monotheistischen Religionen augenblicklich in sich zusammenbrechen.

Mein Frage lautet also: Und nu'?

Aber zurück zum Thema: die zweite Art der Theologie sieht einen Gott provisorisch als gegeben an und befasst sich mit den operationalen Konsequenzen, die folgten, wenn es einen Gott gäbe.
Ohne den Hauch einer Spur von Evidenz für die Existenz eines Gottes und einer ganzen Welt voll dagegen ist damit die gesamte 'substantive' Theologie eben gerade nicht substantiv sondern wohl eher der Versuch, auf einer Glatze Locken zu drehen. Die Fürsprecher der Theologie sehen die Wahrheit/Wirklichkeit also als optional und irrelevant an.
Es gibt von P.Z. Myers eine großartige Beschreibung und Ausführung zu der rhetorischen Volte, die für eine Verteidigung der Berechtigung der substantiven Theologie gerne geschlagen wird. Er nennt sie "Courtiers Reply" ("Antwort des Höflings") und sie ist eine Ableitung der Argumentation der kaiserlichen Hofschranzen aus dem Märchen "Des Kaisers neue Kleider", die voller Eifer die Schönheit von des Kaisers nicht vorhandenen Kleidern besingen und Menschen, die nicht übereinstimmen bzw. gar einwenden, der Kaiser sei in Wirklichkeit nackt, verspotten, einschüchtern und mit autoritativen Argumenten angreifen.
Demnach verbitten sich Theologen gerne die Kritik an der Theologie oder theologischen Konzepten durch Nicht-Theologen mit dem Hinweis darauf, daß der Kritiker ja nicht wisse, wovon er spreche. Beispielsweise war einer der Hauptkritikpunkte gegen Dawkins' "Gotteswahn", daß Dawkins nicht über die notwendige theologische Ausbildung verfüge, um die Theologie und ihre Konzepte anzugreifen.
Ironischerweise verstehen viele Theologie-Befürworter das Argument aus der "Antwort des Höflings" dabei falsch, indem sie es als Versuch auffassen, Atheisten davon zu entschuldigen, sich nicht mit der Theologie zu befassen. Dabei ist es nämlich genau das Gegenteil: es richtet sich gegen die Theologen und weist daraufhin, daß umfangreiches Schwadronieren über entlegene Epiphänomene und spitzfindige Auslegungen von Dogmata Zeitverschwendung ist, solange man noch nicht einmal den Kern der Sache bewältigt, nämlich auch nur einen vernünftigen Grund, an einen Gott zu glauben, vorgestellt hat.
Die Theologie erfindet und preist also des Kaisers neue Kleider, beschreibt sie in feinstem Detail, kennt jede ihrer Falten, poliert, zählt und benennt ihre Knöpfe, kämmt ihr Garn, kontempliert jeden Saum, jede Bordüre, füllt ihre Taschen mit Gold, bürstet hingebungsvoll ihren Samt und zankt gar unter sich darüber, wie man ihre Farbe nennen sollte und ob der Schneider Katholik oder Protestant war.
Die Wirklichkeit ist, im Gegensatz zu Theologie und allen Religionen, eben nicht einfach nur eine weitere Sichtweise der Welt - sie ist einfach nur die Wirklichkeit. Die Naturwissenschaft beschreibt sie und liefert dabei stetig greifbare Belege für ihre Genauigkeit und Bedeutung. Die Theologie produziert nur Entschuldigungen für das Fehlen derselben.
Im Gegensatz zum Märchen sind also die Kleider real, nur der Kaiser nicht.

Mittwoch, 25. August 2010

Die Wurzel allen Übels

Oder, um präzise zu sein: Religion, insbesondere in ihrer institutionalisierten Manifestation (also mit 'unfehlbarem' Offenbarungsbuch und autoritärem Klerus), ist die Wurzel vielleicht nicht allen aber doch des meisten Übels - (der Titel klingt aber eleganter so, wie er ist ;-).

Ich meine, man kann nur, wenn man seinen Blick über die Welt schweifen läßt und sich gestattet bzw. dazu überhaupt imstande und nicht von durch eben jene Religionen auferlegte Denkverbote, welche allein im Übrigen die Wahrheit meines ersten Satzes bereits zweifellos bestätigten, daran gehindert ist, zu diesem Schluß kommen.
Wie keine andere Kraft vermochten und vermögen es Religionen und ihre an Jenseitsfurcht und eiserne Autorität der Kleriker gebundenen und durch gnadenlose und meist von Kindesbeinen an begonnene Indoktrination vermittelten Dogmen, die Menschen gegeneinander aufzubringen und zu unaussprechlichen, widernatürlichen und selbst im Bericht noch fast unerträglichen Grausamkeiten gegeneinander aber auch gegen die belebte Umwelt zu befähigen. Die großen Klassiker des Christentums sind ja hinlänglich bekannt. Aktuell befassen sich dessen Betreiber jedoch eher mit sexuellen und nach Kirchen- und/oder echtem Recht verbotenen und sündhaften Lustbarkeiten. Diese sind fast immer entweder homosexueller und/oder pädophiler Natur. Einige Beispiele mögen das belegen:
Wie dieser Priester (64), der 1 Mio € aus Kircheneinnahmen stahl, um sich ein Luxusleben mit jungen Callboys zu ermöglichen, aber wenigstens so umsichtig war, seiner Gemeinde sein häufiges Fehlen mit einer, sicher die Einnahmen noch vergrößernden aber doch nur erfundenen Krebserkrankung zu erklären.
Aber auch ein Kollege des wackeren Manns, Angelo Balducci, Staatsdiener des Vatikans und sogenanntes „Mitglied der päpstlichen Familien“, begehrte, der Wohltaten knackiger Burschen teilhaftig zu werden und bestellte sich Callboys (die natürlich selber junge Priester waren) für Sexorgien, manchmal mehrmals pro Tag bei einem Chorsänger, der häufiger Sex-Dates mit und für junge Priester und Anwärter organisiert.
Belegen diese beiden Fälle lediglich die tief im Christentum verwurzelte Heuchelei und die Widernatürlichkeit unterdrückter und verteufelter Sexualität, muten folgende Fälle schon wesentlich finsterer:
Die Taten von Oliver O'Grady, der "Hannibal Lecter der pädophilen katholischen Priester", der zahlreiche Kinder, Mädchen und Jungen, vergewaltigt hat und gar mit Müttern schlief, um so Zugang zu deren Kindern zu erhalten, Taten, die sogar verfilmt wurden und für die er sich bis heute in 22 Fällen vor Gericht zu verantworten hat, sind der katholischen Kirche immerhin eine nette Pension wert. Der Mann hat sich schließlich mit 65 in Irland zur Ruhe gesetzt, die Priesterkutte an den Nagel gehängt und erhält nun die nächsten 10 Jahre monatlich 788$ für sein Lebenswerk.
Ein weiterer grausiger Fall berichtet von dem Ort, an dem solche Kreaturen wie O'Grady normalerweise "endgelagert" werden: Das "Pädophilen-Paradies" liegt in Alaska und von dort wurden 345 Fälle sexueller Übergriffe gegen Kinder berichtet, begangen von 28 verschiedenen Priestern, die aus mindestens vier verschiedenen Ländern dort hingeschickt worden waren. Das belegt eine um Größenordnungen höhere Konzentration von sexuellen Straftaten durch Geistliche, als in anderen Bereichen der Welt und es hat wahrhaftig den Anschein, daß bereits mit Sexualdelikten belastete Priester gezielt nach Alaska geschickt wurden, um sie aus der Schußlinie zu bringen und an einem Ort zu lagern, wo sie möglichst wenig PR-trächtigen Schaden am Image der Kirche anrichten konnten. Welches Elend die vielen Mißbrauchstaten, der Druck, das Schweigen, das Verdrängen erzeugt haben, läßt sich in der Aussage einer indianischstämmigen Alaskanerin mitfühlen: "Ich bin 74 Jahre alt. Und ich habe 60 Jahre lang geschwiegen. Ich bin hier für alle, die nicht sprechen können - die schon tot sind, die Selbstmord begangen haben, die obdachlos oder drogenabhängig sind [...]" (Übersetzung von mir)
Diese Beispiele zeigen, was eine antisexuelle, leibesfeindliche und damit widernatürliche und misanthrope Einstellung und die daraus erwachsende (zumindest offizielle) Erwartungshaltung bewirkt: keineswegs Enthaltsamkeit nämlich, sondern nur eine in Verborgenheit (naja, mehr oder weniger) und höchster Heuchelei ausgeübte Sexualität, die nach Kirchenrecht (Homosexualität) oder echtem Recht (Kindesmißbrauch) verboten ist und, in Hinsicht auf die immer zahlreicher werdenden bekannten Fälle von Kindesmißbrauch, zum Schlimmsten und Abartigsten gehören, was sich denken läßt. Wohlgemerkt: stets begangen von "Angestellten" einer Organisation, die sich selbst immerzu als Entscheidungs- und Bewertungsinstanz bei moralischen Fragen produziert.

Neben diesen gerade aufgeführten Begebenheiten aus dem Christentum bietet aber auch der Islam zur heutigen Zeit noch immer Beispiele von mittelalterlich anmutender, geradezu atemberaubender Bösartigkeit, Degradierung, Perversion und Erniedrigungen der menschlichen Natur:
Ein somalisches Mädchen von gerade einmal 13 Jahren wurde wegen Ehebruchs von 50 Männern vor 1000 Zuschauern zu Tode gesteinigt, weil sie die Sünde begangen hatte, sich von drei Männern vergewaltigen zu lassen. Während der Steinigung wurde sie ausgegraben, um zu prüfen, ob sie nicht schon tot sei und, als das nicht der Fall war, wieder eingegraben, damit mit der steinschleudernden Ermordung fortgefahren werden konnte. Ein, der Auffassung der sogenannten "Religion des Friedens" und ihrer "Scharia" zufolge, sicher einwandfreies Vorgehen.
Im Jahr 2002 in Saudi-Arabien starben sogar 15 Mädchen (50 wurden verletzt). Sie verbrannten in ihrer Schule, in der ein Feuer ausgebrochen war, obwohl (!) sie das Gebäude rechtzeitig hätten verlassen können. Die Türen wurden jedoch von der Religionspolizei versperrt, weil die Mädchen in ihrer Hast und Panik keine Gelegenheit mehr gehabt hatten, die vorgeschriebenen Ganzkörperverhüllungen anzulegen. In einem Bericht heißt es
Drei von „Allahs Männern“ prügelten nach Augenzeugenberichten sogar auf Mädchen ein, die in Todesangst versuchten, ins Freie zu drängen. Flammen, Chaos, verzweifelte Schreie – [...] Ein paar Mädchen, die durch einen nicht bewachten Ausgang entkommen waren, zwangen die Eiferer der „Behörde zur Förderung der Tugend und Verhinderung des Lasters“ durch eine andere Tür wieder zurück in das Inferno. Sie hinderten sogar die entsetzten Feuerwehrleute zunächst am Löschen.

(Fettmarkierung durch mich)

(Daß man, 8 Jahre später, die entsprechenden Gesetze gelockert hat und heute in Saudi-Arabien sogar Frauen und Mädchen aus einem Feuer gerettet werden dürfen, mag einem, angesichts des grenzenloses Zynismus' und dieses ungeheuerlichen Verbrechens von 2002, nicht ganz so liberal und fortschrittlich imposant vorkommen, wie dem König, der sich zu dieser Gesetzesänderung, übrigens und freilich gegen den Widerstand der Religionswächter, durchgerungen hat.)

Passend dazu wird in Ägypten mit diesem Plakat bei Frauen dafür geworben, sich zu verhüllen, um sich vor Vergewaltigung zu schützen (ein Plakat das übrigens auch extrem männerfeindlich ist).

Es bedarf aber nicht ausschließlich solch fassungslos machenden Horrorszenarien, um die teilweise auch durchaus subtile Funktion der Religionen bei der Verunreinigung und Erniedrigung des menschlichen Geistes aufzuzeigen:
Der nicht für seinen Humor und souveränen Umgang mit Spott und Kritik bekannte Islam brachte zum Beispiel folgende äußerst entlarvende Reaktion auf den "Alle-zeichnen-Mohammed-Tag" hervor: einige Vertreter der "Religion des Friedens" verlangen nun, da die Welt sich mit Zeichnungen über ihren Propheten lustig gemacht habe, die Begehung eines "Alle-verleugnen-den-Holocaust-Tag". Die Begründung, die den dahinterstehenden Antisemitismus freilich kaum verhehlt, lautet, daß, wenn andere sich das Recht nähmen, ihren Propheten zu beleidigen, man ja schließlich genausogut Recht habe, den Holocaust zu leugnen. Statt also seinerseits verspottende Karikaturen von Jesus, Abraham, Richard Dawkins oder, ähm, "niemandem" (Atheismus, you know?) anzufertigen, verleugnen diese Leute eines der erschütterndsten Verbrechen der Menschheitsgeschichte, in der Hoffnung, daß die in deren Augen die Welt kontrollierenden Juden daraufhin alle Hebel in Bewegung setzen werden, um die Anfertigung der Mohammed-Cartoons zu stoppen. Ich habe keine Worte dafür...
Ein weiteres Beispiel für die bizarren Verrenkungen, zu denen ein religiöser Geist fähig ist, zeigte sich aber auch in der grotesken und (wie gewöhnlich) für Frauen höchst erniedrigenden Fatwa des Herrn Izzat Atiya, Leiter der "Hadith Abteilung" der ägyptischen al-Azhar-Universität, der verkündete, eine Möglichkeit, die vorgeschriebene Arbeitsplatztrennung von Männern und Frauen zu umgehen, bestehe darin, daß die Frau den betreffenden Mann fünf Mal direkt von ihrer Brust trinken lasse, da dies ein "Familienband" zwischen den beiden erzeugen würde, wonach die religiösen Gesetze es gestatten würden, daß sie fortan zu zweit und ohne Aufsicht zusammenarbeiten. Ebenfalls ohne Worte...
In einem anderen, harmlos(er) klingenden, aber außerordentlich bezeichnenden Fall christlicher Produktion bespritzten zwei Lehrerinnen an einer Schule einen bekanntermaßen atheistischen Kollegen mit Weihwasser, weil sie befürchteten, daß er den Schülern den Atheismus näher bringen wolle.

All diese teils grausamen, teils absurden Begebenheiten schreien nach Kritik und Ächtung oder Strafe, doch genau hier tritt ein weiteres Merkmal einer "Wurzel allen Übels" zu Tage: die systeminhärente Selbstgerechtigkeit, die die im Sinne ihrer Religion Handelnden vor einer kritischen Eigenwahrnehmung, ja, dem Empfinden von Schuld gänzlich feit.
Grundsätzlich skeptisch zu betrachten sind jedoch gerade Systeme, Denkschulen, Philosophien oder wie immer man es nennen will, die sich als unkritisierbar, ja jenseits aller Kritik rangierend auffassen. Diese Haltung setzt nämlich voraus, daß das jeweilige System in den Augen seiner Anhänger bereits die Vollendung erreicht hat und jeder Veränderung eine Verschlechterung, eine Entfernung von der Vollkommenheit gleichkomme. Genau das ist charakteristisch für alle Offenbarungsreligionen, die sich alle im Alleinbesitz der einzig seligmachenden Wahrheit glauben und dies, per Dogma, auch glauben müssen. Diesem Glauben opfern sie dann die bei manchem durchaus nicht schwach ausgeprägten Werkzeuge eines kritischen Verstandes und gehen sogar soweit, die Freiheit anderer, sich eben dieser zu bedienen und zu zweifeln und in Frage zu stellen, nicht nur als störend, sondern als zu vernichten ansehen. So ergibt sich eine als unfehlbar erscheinende, brandgefährliche Überlegenheitsideologie, die - innerhalb des Systems sogar folgerichtig - die Bekehrung oder aber Unterwerfung und Zerstörung Andersdenkender nicht nur gestattet, sondern fordert, fördert und belohnt. Und damit schließt sich der Kreis der Perfidie: unverletzliche Dogmen, die von Menschen aus der prähumanistischen Bronzezeit ersonnen und Gottheiten in den Mund gelegt wurden, deren Unverletzbarkeit Teil und Bedingung ihrer selbst ist, führen durch Indoktrination ab dem frühestmöglichen und höchst vulnerablen Geistesalter zu einer Perpetuierung von ganz überholten mit der heutigen Zeit und den Menschenrechten vollständig unvereinbaren Ansichten und Auffassungen, die nicht einmal kritisiert, geschweige denn geändert werden dürfen.

Man sieht das besonders deutlich beim Islam, dessen prominente Kritiker so gut wie immer mit dem Tode bedroht, verfolgt, gejagt und zu einem "untergetauchten" Leben gezwungen oder, wenn diesen Bestrebungen Erfolg beschieden ist, de facto umgebracht werden, aber auch am Christentum, dessen Lobbyisten in Ländern wie Großbritannien und Irland die Meinungsfreiheit erstickende "Blasphemie"-Gesetze verursacht haben.

Wie vollständig die geistige Unterwerfung durch Religion sein kann, sieht man am Extrem des Märtyrertums das seine zeitgenössische Ausprägung in Gestalt der Selbstmordattentäter findet. Auch hier ist die religiöse Verklärung und Sanktion desselben an Zynismus kaum zu überbieten: indem offiziell eine Glorifizierung der Märtyrer vor dem Publikum der Lebenden veranstaltet und eventuellen Aspiranten das praktischerweise nur von Märtyrern zu erfahrende, glorreich-paradiesische "Danach" mittels Dogma und autoritärer Überlieferung schmackhaft gemacht wird, wird regelrecht dafür geworben, die eigene Religion auch und gerade unter Preisgabe des eigenen Lebens (ein Akt, der ironischerweise nicht als eigentlich verbotener "Selbstmord", sondern als gerechtfertigter Akt in einem - natürlich - "heiligen" Krieg aufgefasst wird) zu verteidigen/proklamieren/verbreiten. Daß keiner der Werbenden sich jemals selbst einen Sprenggürtel umschnallen würde, fällt dabei wohl weder auf noch sonderlich ins Gewicht. Fanatische Religiosität bringt also vermöge der Bereitung eines geistigen Bodens, der Selbstmordattentäter hervorzubringen imstande ist, das Ungeheuerliche zuwege, daß oftmals junge, gesunde Menschen ihr eines, einziges Leben einem Popanz opfern, um noch viele mehr damit in den Abgrund zu reißen und vielfaches Leid und Elend zu erzeugen, daß die Mütter und Väter derselben über ihren zerfetzten Überresten ein Dank- und Freudesgebet sprechen, weil sie ihn allen Ernstes als in eine bess're Welt entrückt wähnen und daß sie in ihrer Gemeinschaft als Helden und Großtäter gefeiert, statt als Massenmörder verdammt werden.
Hinzukommt ja, daß der Hass, der Zorn und die Bitterkeit der "anderen", die durch das Selbstmordattentat betroffen wurden, indem durch die Tat unschuldige Menschen aus ihrer Mitte gerissen wurden, sich eben nicht auf den Attentäter, sondern auf die religiöse Gemeinschaft, die ihn erschuf und entsandte, richtet. Der Täter ist tot, jeder Rache und Rechenschaft entzogen, nicht jedoch sein Ursprung, auf den sich alle Vergeltung nun richten kann. So bleiben und entstehen Elend, Hass und Mord, die in einem schrecklichen autokatalytischen Kreis immer wieder selbst sich bedingen, auslösen und erhalten.

[Etwas, was übrigens ähnlich gefährlich ist, wie die Religion, ist der Patriotismus. Wenn diese beiden zusammenkommen, ist Blutvergießen nahezu unvermeidbar. Patriotismus ist der Religion auch im Wesen ähnlich: er öffnet die Tür zu unreflektiertem Autoritarismus und führt immer zu Unterdrückung. Deshalb, ganz im Gegensatz zu den Forderungen der fanatisch Religiösen, muß das Herz einer gedeihlichen Demokratie das beständige Infragestellen der Regierung und ihrer Geschäfte sein.
Mischt man aber die Dogmen der Religion ("Stelle Gott nicht in Frage!") und des Patriotismus ("Stelle 'das Vaterland' nicht in Frage") entsteht vor meinem inneren Auge sogleich ein furchteinflößendes Rezept für blinden und in seiner Selbstgerechtigkeit fühllosen Gehorsam, dessen Ausübende zu allem fähig sind. ]

Man kann jetzt vor dem Hintergrund des Überlegten, Berichteten und erst recht all des noch Unberichteten zu der Auffassung gelangen, daß es keine Dummheit, keine Grausamkeit, keine noch so schändliche, abscheuliche, erniedrigende und verbrecherische Tat gibt, die nicht durch religiöse Verblendung begangen wurde und begangen wird. Ich kann mir nicht anders helfen, als Religion als einen "Irrtum" anzusehen und es stellt sich mir daher immer wieder die Frage, woher Religion bzw. die Neigung zur Religiosität, die der Menschheit soviel Schande und Schmach und Elend verursacht hat, kommt.

Richard Dawkins vermutet, daß es in der Evolution des Menschen einen selektiven Vorteil bedeutet hat, die Weisungen von Autoritätspersonen ungefragt zu übernehmen. So überlebten beispielsweise Kinder in der Steinzeit, die die Warnung der Eltern, nachts die Höhle oder sonstige Heimstatt nicht zu verlassen, befolgten und daraufhin nicht von nächtlichen Räubern getötet wurden, eher als ungehorsame Kinder und mit ihnen die genetisch fixierte oder zumindest prädisponierte Verhaltensweise des Gehorsams. Für den Fortschritt der Menschheit, für die Entwicklung neuer, vielleicht revolutionärer Ideen war jedoch das Hinterfragen von Althergebrachtem und Tradition und damit der Zweifel an Autoritäten unerlässlich. Die Autoritätshörigkeit und Unterworfenheit unter das Überlieferte kann also nicht absolut sein und damit auch nicht die Neigung zum Religiösen, die eine genuine Manifestation genau dieser Prädispositionen darstellt. Eine Studie in der Fachzeitschrift Trends in Cognitive Sciences befasste sich genau mit dieser Frage der Herkunft der Religion: ist sie eine evolvierte Adaption, also eine "sinnvolle" Anpassung des Menschen an seine Umwelt und die steigende Notwendigkeit zur Kooperation oder ist sie nur ein sich aus der Konfiguration der menschlichen Kognitionsfähigkeit ergebendes, "mitgeschlepptes" Nebenprodukt? Die Autoren kommen zu dem Schluß, daß im Lichte der empirischen Evidenz moderner Moralpsychologie eher letzteres zutrifft. Insbesondere zeigten Individuuen, trotz unterschiedlicher religiöser Hintergründe, keinen Unterschied bei der moralischen Bewertung unvertrauter moralbezogener Szenarien. Dieser Befund weist darauf hin, daß sich Religiosität aus bereits zuvor existierenden kognitiven Funktionen entwickelt hat und dann erst Subjekt der Selektion wurde, wodurch ein adaptiv entworfenes System zur Lösung des Problems der Kooperation entstand.
Da stehen wir nun mit der deprimierenden Erkenntnis: Religiosität und damit die Religionen sind also wirklich nur ein Neben-, vielleicht ein Abfallprodukt der Evolution des menschlichen Geistes. Ein Parasit, ein Virus im Substrat von Kognition und Verstand, der einen nahezu nicht mehr gut zu machenden Schaden angerichtet hat und noch jeden Tag anrichtet.
Ich glaube, daß, wenn etwas die menschengemachte Zerstörung der Welt herbeiführen wird, es die Religion sein wird, bzw. das, was sie aus den Menschen zu allen Zeiten gemacht hat und noch immer macht.

Abschließend erlaube ich mir noch, auf ein pikantes, ironisches Moment hinzuweisen, das meiner Meinung nach darin besteht, daß, gesetzt den Fall, es gäbe wirklich einen allmächtigen, planenden, intelligenten Gott, ja auch die Religion, die sich gerade mit seiner Verkündung, Verteidigung und Anbetung befasst, von je her in dessen Plan vorgesehen gewesen sein muß. Daß ausgerechnet diese sich dann als Sollbruchstelle im Fortbestehen der Menschheit erweisen sollte, wäre schon recht amüsant...

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Nachtrag:
Hier noch ein weiteres erhebendes Beispiel für priesterliche Fürsorge: Nachdem der katholische Priester den Jugendlichen mit vorgehaltener Waffe vergewaltigt hatte, heuerte er einen Killer an, um den Jungen beseitigen zu lassen. So machen sie es in Texas...

Donnerstag, 20. Mai 2010

Selbstverschuldete Unmündigkeit? - Oder: vom Sägen am Ast, auf dem man sitzt

"Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines andern zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht aus Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines andern zu bedienen."
Das hat Kant 1784 gesagt. Damals ging es um die Aufklärung. Ich habe den Eindruck, eine neue Aufklärung wäre auch heute wieder angezeigt. Es ist ein stärker werdender Trend zu zahlreichen "New Age"-, esoterischen oder "schamanistischen" Annäherungsweisen an die Wirklichkeit festzustellen und immer weniger Zweifel, Skepsis und Neigung zur Überprüfung von Behauptungen. Wie wäre sonst der enorme Erfolg von Astrologie, Wahrsagerei, Kreationismus, Impfverweigerung, Homöopathie, Akkupunktur, Chiropraktik, Bach-Blüten, Osteopathie und sonstigem Jahrmarkts-Klimbim und Kurpfuschertum zu erklären? Und wie kann es möglich sein, daß sich unser höchstes Gericht damit zu befassen hat, ob es eine Klage gegen die Inbetriebnahme einer experimentellen Apparatur der Teilchenphysik, den Large Hadron Collider, zulassen soll, weil diese den Weltuntergang hervorrufen könne oder daß allen Ernstes eine teure Expedition nach der Arche Noah sucht? Welch ein Wahnsinn ist allein der Gedanke daran, die Todesstrafe für HIV-positive Homosexuelle zu verhängen?
Ist es zu fassen, daß ein Minister in Indonesien allen Ernstes behauptet, die jüngsten Naturkatastrophen in seinem Land seien der Immoralität der Menschen zuzuschreiben, ohne sofort wegen erwiesener Unzurechnungsfähigkeit aus dem Amt entlassen zu werden?
Ein katastrophales Beispiel dafür, was passieren kann, wenn ideologische, statt kritisch-evidenzbasierte Wissenschaft politisch gefördert oder sogar verordnet wird, findet sich im russischen Pseudo-Wissenschaftler Lyssenko. Dessen Zeit ist zwar schon lange vorbei, sein Exempel aber belegt, wie verheerend die Verquickung von mangelnder Skepsis gegenüber einer politisch angeordneten Ideologie und von linientreuer, also "ideologieunterworfener" Wissenschaft, die nicht mehr nur im Dienste der Evidenz steht, sein kann: durch die Anwendung von Lyssenkos völlig unwissenschaftlichen und falschen aber mit dem Marxismus verinbaren Theorien in der praktischen Landwirtschaft, kam es zu furchtbaren Hungersnöten in Russland (und auch China, das diesen Unsinn übernahm) und die russische Genetik wurde - eine katastrophale Ausdörrung geistigen Potentials - um Jahrzehnte zurückgeworfen und hat sich bis heute nicht davon erholt.

Ob so etwas heute noch passieren könnte, darf vermutlich bezweifelt werden, dennoch wäre der Boden des allgegenwärtigen Aberglaubens hierzulande kein gänzlich ungeeigneter, um solche Früchte zu tragen. All das ist aber nur möglich, so glaube ich, undank einer profunden und, wie ich finde, fatalen allgemeinen naturwissenschaftlichen Illiteralität, die die Bevölkerung in zunehmendem Maße außerstande setzt, die Naturwissenschaft und die durch sie geformte, begrenzte, erklärte und ermöglichte moderne Welt zu verstehen. In einer Zeit, in der fast kein Bereich des täglichen Lebens unberührt von naturwissenschaftlichen Errungenschaften ist und in der fast täglich über ethische Herausforderungen durch wissenschaftliche Errungenschaften diskutiert wird, ist diese Unbildung wahrhaft eine Form der Unmündigkeit. Wie soll man sich eine Meinung bilden und dieser in Form einer Wählerstimme Ausdruck verleihen, über Atomkraft, Embryonen- und Stammzellforschung, grüne Gentechnik, den Large Hadron Collider und schwarze Löcher, Fusionsenergie, Gendiagnostik oder Dioxin-Grenzwerte im Essen urteilen, wenn das alles nur bedeutungslose Worthülsen sind? Läuft man nicht Gefahr, den Schlagzeilen-Ausscheidern der Blätter mit den großen Buchstaben nach dem Munde zu reden? Es ist natürlich einfach und dem grassierenden Denk- und Abwägungsphlegma zuträglich, ein so kompliziertes, potentialreiches und wichtiges Thema wie z.B. genetisch modifizierte Nahrungsmittel mit "Wir wollen keine Gene im Essen!" abtun zu können, aber wer sich in die Materie einarbeitet, populärwissenschaftliche und auch für Laien verständliche Aufsätze liest und tatsächlich erst einmal, vielleicht sogar kritisch darüber nachdenkt, wird sich vermutlich bald einer differenzierteren und womöglich gar begründeten Meinung erfreuen.

Eine solche, jedoch, scheint heute gar nicht unbedingt als erstrebenswert zu gelten und viele scheinen sie von sich selbst gar nicht mehr als Grundlage für gewichtige Entscheidungen zu verlangen. Das führt dazu, daß man anfällig für Suggestionen der Art wird: "Wenn Du Meinung A vertrittst, mußt Du Dich für X entscheiden!" In Kombination mit der Tatsache, daß "Meinung A" häufig genug durch Meinungsmache implantiert, statt durch selbstständiges, kritisches Denken generiert wird, ergibt sich ein bedenklich hohes Maß an Steuerbarkeit. Unwissen aus Mangel an Bildung macht also manipulierbar. Keine ganz neue Erkenntnis, schon klar. Doch haben wir es hier tatsächlich, um einmal eine paranoide Idee zu prüfen, mit politisch gewollter Unbildung zu tun? Gibt es womöglich Bemühungen, die Bevölkerung gezielt dumm zu halten? Oder sind solche Bemühungen vielleicht gar nicht mehr nötig, weil dieser Prozess sich schon längst selbst katalysiert? Gibt es also einen Trend zur gewollten Unwissenheit? Und woher kommt die für einen solchen Trend notwendige Wissenschaftsskepsis, die erst als durchaus gangbare Alternive erscheinen lassen kann, sich jeder Bemühung, sich wissenschaftliche Bildung anzueignen, zu enthalten? Wie kommt es zu einer solchen Entfremdung?

Nicht hilfreich ist hier sicher die latente Wissenschaftsfeindlichkeit in der Politik. So kommt es einem zumindest vor, angesichts dessen, was viele Regierungen durch von ihnen erlassene Gesetze tun. Das aktuell krasseste Beispiel ist die Türkei, die ein Gesetz erlassen hat, das in völliger Verkennung der wissenschaftlichen Alltagsarbeit die Erzeugung von gentetisch modifizierten Organismen verbietet und damit die komplette molekularbiologische und biomedizinische Forschung der Türkei vor das Aus führt, aber auch die Schweiz und Deustschland sind gut mit dabei. Trotz der historischen Lektion durch einen Lyssenko, läßt sich die Politik viel zu häufig zum Kettenhund der Ideologen degradieren und geriert sich dann in religiös motivierter oder lobbygewollter Fortschrittsfeindlichkeit. Erleichternd für solche Manipulierbarkeit kommt da hinzu, daß sich auch die Kenntnisse über und - so steht es zu befürchten - die Einstellung der Politiker zu den Naturwissenschaften nicht wesentlich von denen der Bevölkerung unterscheiden dürften. Es soll nicht eigennützig klingen, aber die Naturwissenschaftler sollten eigentlich die gefeierten Helden statt die mißtrauisch beäugten Freaks eines jeden aufgeklärten Landes sein. Stattdessen werden ihnen durch hirnrissige Gesetze die Hände gebunden, die grundgesetzlich eigentlich garantierte freie Forschung untersagt, Bedingungen so verschlechtert und die Mittel so verknappt, daß vernünftige Arbeit kaum noch möglich ist und so, zusammen mit dem Eindruck, in einem forschungsfeindlichen Klima ein unerwünschter Störenfried zu sein, die nicht mehr allzu unterschwellige Botschaft vermittelt: "Wir wollen Euch nicht!". Hinweis: viele Wissenschaftler reagieren darauf nicht, indem sie eingezogenen Hauptes trotzdem hierbleiben, sondern dahin gehen, wo man schon etwas weiter ist, mit der Aufklärung.

Ein weiteres Hindernis für die freiwillige Beschäftigung mit den Naturwissenschaften ist sicher das immer noch niedrigere Ansehen naturwissenschaftlicher verglichen mit der geisteswissenschaftlichen, leider "klassisch" genannten Bildung. Das geht so weit, daß ein Herr Schwanitz sich in seinem viel diskutierten und viel gekauften Kompendium "Bildung - Alles was man wissen muß" dazu versteigen konnte, durchblicken zu lassen, naturwissenschaftliche Bildung sei nicht notwendig, gar unfein und nicht "gentlemanlike", man könne und dürfe ruhig damit kokettieren, nichts über die Natur und ihre Gesetze zu wissen. Ich finde das schlimm und borniert und höchst gefährlich! Viele Menschen wissen nicht einmal die grundlegenden Dinge über die sie umgebende Welt, die ihnen doch täglich begegnen, wissen nicht, warum der Himmel blau ist und Blätter grün sind, verstehen nicht, warum sie bei einer Vollbremsung im Auto nach vorne geschleudert werden, kennen den Unterschied zwischen Bakterien und Viren nicht, haben noch nie von der PCR gehört, könnten nicht sagen, was genau elektrischer Strom, ein Gen, eine Säure, ein Gas oder ein Atom ist. Zu diesen "vielen Menschen" gehören übrigens durchaus auch Professoren für Literatur oder Kunstgeschichte, die nicht eigentlich als ungebildet gelten dürften, aber auch die meisten Politiker, die dieses Land regieren sollen. Wenn man nicht weiß, wer das Penicillin entdeckt oder die Quantentheorie erdacht hat, so gilt dies als sehr verzeihlich. Wenn man hingegen bekundete, noch nie von diesem "Goethe" oder "Hitler" oder "Caesar" oder "Jesus" gehört zu haben, fielen die Reaktionen zwischen ungläubig und mitleidig aus. Wie kann das sein? Woher kommt dieses Ungleichgewicht und kann sich ein demokratischer Staat eine Bevölkerung erlauben, die mangels Kenntnis über einen großen Teil politischer Fragen, die naturwissenschaftliche Themen betreffen und enormen Einfluss auf Leben und Entwicklung im eigenen Land haben können, nicht urteilen kann?

Es ist ja wahr, daß die Naturwissenschaften als "schwer" gelten, vielleicht gar als "unzugänglich" und heutezutage über einen so enormen Wissensschatz verfügen, daß selbst ausgebildete Naturwissenschaftler in ihrer eignen Disziplin immer nur einen relativ kleinen Bereich wirklich durchdringen können und die Universalgelehrten des Formates Leibniz, die in allen Disziplinen auch in der Tiefe bewandert waren, sind heute völlig unmöglich. Dennoch halte ich es für möglich und nötig, daß auch naturwissenschaftliche Laien sich in den Naturwissenschaften soweit bilden können, daß sie die wichtigsten und bedeutendsten Wissenschaftler, Theorien und Errungenschaften aus den großen Disziplinen kennen, ihre Bedeutung erkennen und auch ein grundlegendes Verständnis der Welt um sie herum entwickeln, das es ihnen ermöglicht, mündige, weil informierte Entscheidungen zu treffen. Es gibt durchaus Bücher, die diesen Versuch unternehmen, Interesse vorausgesetzt. Ein gewisses Interesse gibt es wohl auch und oft wurde mir gegenüber bekundet, daß "das alles" ja "so interessant" sei. Nur gibt es offenbar eine schwer zu überwindende Kluft zwischen einem diffusen, allgemeinen Interesse daran, seine Umwelt zu verstehen und dem intellektuellen Aufwand, der zu betreiben wäre, um dieses Interesse zu befriedigen.

Es dürfte ohne Zweifel feststehen, daß die Beiträge der Naturwissenschaften stetig an Bedeutung zunehmen werden, daß nur durch sie die Probleme der modernen Zeit lösbar sein, ja, der Alltag bewältigbar bleiben wird. Wenn überhaupt, so wird allein naturwissenschaftliche Forschung es ermöglichen, auf lange Sicht die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren und mit sauberem Wasser zu versorgen, eine nicht-fossile, für alle ausreichende Energiequelle zu erschließen, tödliche Krankheiten, Geisseln der Menschheit, zu verstehen und zu heilen, Naturkatastrophen rechtzeitig vorauszusehen, sie vielleicht gar zu verhindern aber zumindest ihre Auswirkungen abzumildern, einen vernichtenden Klimawandel doch noch aufzuhalten, damit letztlich Kriege um Ressourcen, Elend und Barbarei zu verhindern. Nur beständige Forschung kann es vielleicht gestatten, in ferner Zukunft gar das sinkende Schiff Erde zu verlassen, um den nächsten zu zerstörenden Planeten zu bevölkern.

Ich habe keine Patentlösung, kann ja nicht einmal genau sagen, wieviele Wurzeln das Problem wirklich hat. Ich weiß nur, daß Anlaß zur Sorge besteht, wenn eine Gesellschaft durch Ignoranz und Desinteresse, die durchaus auch auf einen unzulänglich erfüllten Bildungsauftrag des Staates und eine politisch nicht verhinderte Wissenschaftsskepsis zurückzuführen sein dürften, sich selbst vom Kontakt zu Wissenschaft und Forschern abschneidet, am Ast sägt, auf dem sie sitzt.
Was könnte man tun? Sich in einem unbedeutenden Blog öffentlich Sorgen machen? Vielleicht. Sich wünschen, daß die absolute Wichtigkeit von Bildung und Wissen und Verständnis endlich erkannt und die Lust, sich damit zu befassen, durch besser gemachten aber auch besser platzierten Wissenschaftsjournalismus angefacht wird? Bestimmt. Alle Naturwissenschaftler auffordern, besser und klarer und ohne Arroganz zu kommunizieren, was sie tun, warum sie es tun und aus welchem Grund es so wichtig ist, daß sie ihre Arbeit zu Ende führen können? Ganz sicher!
Um meinen eigenen Forderungen gerecht zu werden, habe ich mir schon vor längerem verordnet, Fragen, die Nichtwissenschaftler mir stellen, sehr ernst zu nehmen und so ausführlich und geduldig und verständlich wie möglich und nötig zu beantworten. Fragen zu ermutigen, ist eine der wichtigsten Schritte in der Kommunikation unserer Arbeit. Wer fragt, hält es zumindest für möglich, eine Antwort zu bekommen, die er auch verstehen kann.

Abschließen möchte ich mit einem Zitat Adornos zur Mündigkeit:

„Mündig ist der, der für sich selbst spricht, weil er für sich selbst gedacht hat und nicht bloß nachredet (...) Das erweist sich aber an der Kraft zum Widerstand gegen vorgegebene Meinungen und, in eins damit, auch gegen nun einmal vorhandene Institutionen, gegen alles bloß Gesetzte, das mit seinem Dasein sich rechtfertigt. Solcher Widerstand, als Vermögen der Unterscheidung des Erkannten und des bloß konventionell oder unter Autoritätszwang Hingenommenen, ist eins mit Kritik, deren Begriff ja vom griechischen krino, Entscheiden, herrührt.“
Er hat recht! Und das gute ist: man braucht "den Wissenschaftlern" nichts blind zu glauben - das wollen wir auch gar nicht! Jeder kann, wenn er kann (und wenn nicht, so kann er es doch lernen), die Evidenz selber interpretieren und sich dadurch eine Meinung bilden, statt blind einer "vorgegebenen" zu vertrauen - nichts anderes tun Wissenschaftler und ist Wissenschaft. Kritik und kritisch sein, ein wacher Geist, fragen, zweifeln, selber denken, entscheiden: mündig sein!

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P.S.:

Ein interessanter Beitrag zum Thema erschien unlängst in Nature: es wird argumentiert, daß vieles von dem, was über Naturwissenschaft gelernt wird, auf informellem, nicht systematischem Weg geschieht. Es heißt dort:

Their evidence strongly suggests that most of what the general public knows about science is picked up outside school, through things such as television programmes, websites, magazine articles, visits to zoos and museums — and even through hobbies such as gardening and birdwatching. This process of 'informal science education' is patchy, ad hoc and at the mercy of individual whim, all of which makes it much more difficult to measure than formal instruction. But it is also pervasive, cumulative and often much more effective at getting people excited about science — and an individual's realization that he or she can work things out unaided promotes a profoundly motivating sense of empowerment.
Meine volle Zustimmung! Bildung und vor allem die Begeisterung für die Naturwissenschaft kann auch auch abseits einer Schulbank erlangt werden und nichts ist so faszinierend, wie ganz allein, durch ausprobieren, also experimentieren etwas zu verstehen, der Natur ein kleines Geheimnis zu entreißen!

Auch Science hat sich zuletzt mit Wissenschaft und Bildung befasst:

  • Hier geht es um die Rolle der akademische Sprache der beim Erlernen und Erschließen von Wissenschaft. Es wird auf das Problem aufmerksam gemacht, daß diese schwierige Sprache eine Hürde sein kann und es wird dafür plädiert, Studenten gezielt beim Lernen dieser Sprache zu unterstützen, damit sie in die Lage versetzt werden, sich unabhängig (!) wissenschaftliches Wissen anzueignen
  • Hier geht es um den Zusammenhang von experimenteller Wissenschaft und Lese&Schreibkompetenz: beide stehen in Diensten zueinander und können sich gegenseitig befördern.
  • Hier wird die Bedeutung der Diskursfähigkeit in der Wissenschaft unterstrichen und zurecht darauf kritisiert, daß die Fähigkeit zu kollaborativem, kritischen Diskurs nicht üblicherweise Teil der wissenschaftlichen Ausbildung ist.

Übrigens: Die nicht häufig zu lobenden USA muß man hier jedoch einmal positiv erwähnen:

Moves to make research funded by the US government available to everyone could mark a turning point in a publishing revolution
Es gibt also offenbar Bestrebungen, die Ergebnisse staatlich finanzierter Wissenschaft für jedermann kostenlos einseh- und verfügbar zu machen. Das wäre eine äußerst sinnvolle und demokratische Entwicklung und würde die Botschaft senden, daß die Bevölkerung, wenn sie sich denn wirklich interessiert, in ihrem Interesse auch ernstgenommen und unterstützt wird. Schließlich hat sie die Wissenschaftler für ihre Arbeit bezahlt!

So, zuwirklichallerletzt eine (ggf. später noch zu ergänzende) Liste mit Empfehlungen für guten Wissenschaftsjournalismus:

darf gerne in den Kommentaren vervollständigt werden...

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Nachtrag 1: Folgendes las ich im Internet

LA Dodgers owners paid Russian scientist for psychic baseball boost.

Frank and Jamie McCourt employed Vladimir Spunt to beam thought waves to boost the team's chances

According to Bill Shaikin of the LA Times, the McCourts paid Vladimir Shpunt several hundred thousand dollars over five years to apply his "V energy" and help the Dodgers to victory.
(Übersetzung: "Die Eigentümer der LA Dodgers bezahlen russischen Wissenschaftler für PSI- Baseball-Unterstützung;

Frank und Jamie McCourt beauftragten Vladimir Spunt damit, Gedankenwellen zu senden, die die Chancen des Teams verbessern sollten;

Laut Bill Shaikin von den LA Times, zahlten die McCourts Vladimir Spunt mehrere Hunderttausend Dollar über einen Zeitraum von 5 Jahren, dafür, daß er seine "V-Energie" einsetzt, um den Dodgers zum Sieg zu verhelfen. )

Ist das zu fassen?!? Mir wird bei dem Gedanken ganz schlecht, wieviel Menschen man mit Hunderttausenden von Dollars retten könnte, wieviel Forschung man betreiben, wieviel Physikunterricht bezahlen, der verhindert hätte, daß Leute so aufwachsen, daß sie eines Tages allen Ernstes Hunderttausende Dollar für die "V-Energie" von Vladimir Spunt zum Fenster hinaus werfen.

Selbstverschuldete Unmündigkeit? Ohja! Q.E.D.!!!!!


Nachtrag 2: Folgendes fand ich im Internet:

Bei diesem Angebot kann man also eine "echte Wicca-Hexe" dafür bezahlen, daß sie einen "Zauber" wirkt, welcher eine Formveränderung des Gesäßes des Bezauberten bewirkt, Richtung "sexy and curvy".

Die Bewertungen lassen darauf schließen, daß dieses Angebot häufig genutzt und auch noch für gut befunden wird. Weitere Worte fehlen mir...










Montag, 22. Februar 2010

Sie fürchten die Freiheit,

die Freiheit der Rede, der Kunst und der Gedanken, wie nichts anderes. Freiheit und (monotheistische) Religion waren schon immer Antipoden.

Zuerst kommt die Freiheit der Gedanken. Sie ist die gefährlichste, denn durch sie entsteht der Zweifel, der Widerstand, sie ermöglicht es, jeden Standpunkt einzunehmen und unvoreingenommen zu prüfen, sie gestattet es, die mächtigsten Werkzeuge des menschlichen Geistes, die Vernunft und die Logik gegen Dogmata und ideologische Paradigmen einzusetzen. Sie ist aber auch die am schwersten zu bekämpfende. Wenn es aber gelingt, sie in Ketten zu legen, ist alle Gefahr gebannt. In der voraufgeklärten Zeit gelang das lange Zeit durch die systematische Konstruktion einer auf Furcht und Abhängigkeit gegründten Vorstellungswelt, in der selbst unkeusche oder ketzerische Gedanken als Sünde und die Verdammnis besiegelnd galten. Das Prinzip funktionierte so, daß der Klerus sich zum Bühnenbildner und Regisseur einer bunt mit Fabelwesen bevölkerten Jenseitswelt aufschwang, die zwar von den Lebenden nicht empirisch erfahrbar war, aber durch biblische Überlieferung und deren konkurrenzlose Interpretation durch die des Lesens Kundigen so plastisch und detailreich ausstaffiert war, daß sie und die in ihr und für sie angeblich geltenden Regularien eine völlig weltliche Größe darstellten, an der sich der reale Alltag stets mit ausrichtete. Solange eine unaufgeklärte Bevölkerug durch instrumentalisierte Jenseitsfurcht in geistige Fesseln geschlagen war, gab es also kein Problem.
Mit der Aufklärung änderte sich das jedoch, Buchdruck, bessere Bildung, Bibeln in der Landessprache und revolutionäre Philosophie befreiten den Geist und ließen Zweifel am Joch der religiösen Nutzfurcht aufkommen. Als die Kirche verstand, daß der Zweifel und damit die Freiheit in der Welt des Geistes angelangt und durch sie nicht mehr zu bannen war, änderte sie ihre Strategie und wählte als neues Feindbild die Freiheit der Meinung und der Rede. Sollten die Ketzer denken, was sie mochten, solange sie schwiegen! Die Unterdrückung von Rede- und Meinungsfreiheit ist seit jeher ein Merkmal des autoritären Totalitarismus, denn revolutionäre Gedanken schaden erst und nur dann, wenn sie außer ihrem Denker noch andere kennen.
Natürlich ist jeder Versuch, die Äußerung von Gedanken und Meinungen zu unterdrücken, ein profundes Zeugnis der Schwäche. Wenn man von der Tragfähigkeit und absoluten (weil ja angeblich offenbarten) Wahrheit und Unerschütterlichkeit der eigenen Position überzeugt ist, was ja gerade dann der Fall sein sollte, wenn man sich vorgeblich im Auftrage der höchsten Macht weiß, so kann doch eine abweichende Meinung, so kann geäußerter Zweifel und Kritik ihr nicht nur nicht schaden, sondern wird sie - im Gegenteil - stärken.
In den Führungsetagen der organisierten Religionen ist man aber offenbar selbsterkenntnisreich genug, zu wissen, daß man sich auf die Überzeugungskraft und Standhaftigkeit der eigenen Doktrinen besser nicht mehr verlassen sollte und hat es sich zur lieben Übung gemacht, immer wieder gegen das Grundrecht der Meinungs- und Kunstfreiheit anzurennen, um all den Freidenkern, Zweiflern, Satirikern und Scharfzüngigen Wort und Spott und Feder zu verbieten.
Besonders überzogen reagiert der Islam auf notwendige Kritik und verdienten Spott, da sich diese Religion in all ihren Äußerungsformen und Empfindlichkeiten, mit ihrer komplett fehlenden Fähigkeit zur Selbstreflexion und auch ihrer Entwicklung, wenn es so etwas wie Entwicklung bei Religionen überhaupt gibt und es sich nicht eher um widerwillige, zähneknirschende und erzwungene Anpassungen an den Fortschritt der Menschheit handelt, ja noch im tiefsten Mittelalter befindet, sich aber zumindest in den Industrienationen einer globalisierten und vernetzen Welt gegenübersieht, der ein geduckter, furchtsamer Respekt vor diesem bizarren Wüstenkult, nicht ohne weiteres abgenötigt werden kann.
Was mich allerdings äußerst bedenklich stimmt, ist ein Trend in letzter Zeit, der vor allem in England (zum Beispiel in Gestalt von Sharia-Gerichten!) aber auch in den Niederlanden zu beobachten ist: dort wird aus falsch verstandenem Pluralismus und Multikulti-Irrsinn als abklärerische Unterwürfigkeitsgeste gegenüber dieser mit den Menschenrechten und einer darauf beruhenden Werteortnung fundamental unvereinbaren Religion eine der wichtigsten Errungenschaften der Demokratie und Stützpfeiler einer jeden freiheitlich-demokratischen Gesellschaft in Frage gestellt: die Meinungsfreiheit.
In einem Prozess gegen den niederländischen Politiker Geert Wilders, den ich für seinen Rechtspopulismus eigentlich verabscheue, wurde ihm vorgeworfen, daß er sich islamkritisch geäußert habe. Die inkriminierten Äußerungen waren unter anderem:
Der Koran sei wie Hitlers "Mein Kampf".
Der Kern des Problems sei der "faschistische Islam".
Es gebe einen "Islamisierungs-Tsunami".
Diese Aussprüche sind zwar von kompromissloser Härte und sicher auch provozierend gemeint, doch es sind Meinungsäußerungen, die niemanden zu Gewalt oder anderen ungesetzlichen Handlungen verleiten sollen und sie sind alle durch Stellen im Koran sowie durch durch den Koran und seine fundamentalistische Auslegung motivierte Taten von Islamisten, die sich ganz klar auf ihre Religion berufen, begründet und selbstverständlich durch das Recht auf freie Meinungsäußerung geschützt. Daß einige Moslems das nicht hören wollen und sich beleidigt fühlen, darf nicht einmal theoretisch als Grund dienen, diese Meinung zu verbieten. Es steht jedem zu, eine Gegendarstellung, die Äußerung einer abweichenden Meinung oder eine Kritik an Herrn Wilders zu verfassen und es läge im Interesse eines liberalen Islamverständnisses, genau das zu tun und mit den Mitteln einer Demokratie und innerhalb der Grenzen der Verfassung zu reagieren. Wie souverän und demokratisch der Islam und seine eifrigsten Vertreter tatsächlich mit Kritik und Spott umzugehen pflegt, zeigen die jüngere Geschichte der Niederlande auf eine erschütternde Weise: Pim Fortuyn, ein linker Politaktivist wurde für seine Angriffe gegen den Islam ermordet und auch der Filmemacher und Islamkritiker Theo van Gogh, der besonders die fundamentalistischen und frauenfeindlichen Auswüchse des Islams angegriffen hatte, wurde ermordet.
Der Karikaturstreit von 2005 (das Bild zeigt die "beanstandete" Karikatur Mohammeds mit Bombenturban) zeigte ein weiteres Mal, wie unvereinbar der Islam mit demokratischen Werten ist und selbst fünf Jahre danach kann sich der Karikaturist seines Lebens nicht sicher sein. Als wie kleinlich und rachsüchtig und empfindlich und nachtragend und inferior muß man seinen eigenen angeblich so großen Gott auffassen, wenn man denkt, in dessen Willen zu handeln, wenn man einen alten Mann, der vor Jahren eine Zeichnung anfertigte, hinterrücks ermordet?!
Auf das mögliche Argument, daß dies die Taten einzelner nicht repräsentativer Irrer gewesen sind, kann man nur antworten, daß es anläßlich des Karikaturenstreits Fernsehbilder von Massenszenen in arabischen Ländern zu sehen gab, wo Puppen des Zeichners und dänische Flaggen (und nachher Flaggen eines jeden Landes, das sich mit Dänemark solidarisch erklärte) verbrannt und im Chor Todesdrohungen skandiert wurden. Und wenn innerhalb dieser Religionsgemeinschaft bei einem Großteil selbst derjenigen ihrer Angehörigen, die in den demokratischen Industrienationen leben, wirklich Einigkeit darüber bestünde, daß es sich bei den genannten und anderen einschlägigen Taten im Namen dieser Religion, eben nicht um repräsentatives islamisches Verhalten, sondern um gemeine Verbrechen handelt, dann sollte es nach jeder solchen Tat erstens eine große und weltweite Protestaktion gegen das Vorschützen religiöser Motive und gegen den Mißbrauch des islamischen Bekenntnisses als Terrorapologie sowie eine selbstkritische Innenschau geben, um zu prüfen, ob diese Religion wirklich, wie behauptet, kompatibel mit demokratischen Werten und den Menschenrechten ist. Dies aber passiert, wenn es denn passiert, meist nur verhalten und schwachbrüstig und wirkt eher wohlfeil und zugeständnismäßig als wirklich überzeugt.

Doch der Islam ist nicht alleine mit seinen, zugegeben deutlich wüsteren und brutaleren Versuchen, die Religion über die Verfassung zu stellen und ihr einen unverdienten Schutz vor Spott und Kritik zu ertrotzen:
Auch in Deutschland versuchte, zugegebenermaßen vor allem von Spott statt Erfolg gekrönt, der sprachmächtige Edmund Stoiber vor einiger Zeit, den Blasphemern Einhalt zu gebieten, als er forderte, daß "Gotteslästerung" (ein an sich interessanter Begriff, da er ja die Möglichkeit einräumt, daß ein Mensch einen (jetzt mal angenommenen und als allmächtig angesehenen) Gott überhaupt nennenswert lästern kann) stärker bestraft werden müsse. In Deutschland ist es tatsächlich bereits verboten (§166 StGB), sich über Religionen und deren Doktrinen lustig zu machen und sie zu verspotten, allerdings und glücklicherweise nur insoweit solches Betreiben geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu gefährden:
§ 166
Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen

(1) Wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) eine im Inland bestehende Kirche oder andere Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung, ihre Einrichtungen oder Gebräuche in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.

Es müssen hier ja auch zwei Rechtsgüter gegeneinander abgewogen werden und das durch §166 geschützte ist wohl eher der öffentliche Friede als das religiöse Empfinden, denn im kleinen Kreis oder gegenüber Einzelpersonen läßt das Gesetz die derbsten und schärfsten Angriffe ja durchaus zu, da sie durch das Recht auf freie Meinungsäußerung zurecht geschützt wird.
In Deutschland ist der Beschnittsversuch dieses Grundrechts zum Glück fehlgeschlagen, doch in anderen europäischen Ländern haben die dort stärkere und - wie ich meine - fatale Neigung zur political correctness und vielleicht auch mächtigere Lobbies zu einer katastrophalen Entwicklung geführt. Z.B. in Irland, wo es nun wahrhaftig ein Blasphemie-Gesetz gibt, welches äußerst krass das Recht auf Meinungsfreiheit verstümmelt, indem es die "Veröffentlichung oder Äußerung von blasphemischen Inhalten" unter Strafe stellt. Ich stimme Richard Dawkins zu, daß ein solches Gesetz ein Land ins Mittelalter zurückversetzt und wie grenzenlos absurd es ist, nur sein kann, zeigt sich daran, daß folgende Äußerungen ab jetzt in Irland strafbar sind:

- Mohammed spricht im Hadith von Bukhari, Band 1 Buch 8 Hadith 427: “Möge Allah die Juden und Christen verfluchen, denn sie errichteten die Gebetsstätten bei den Gräbern ihrer Propheten"
Tja, dumm gelaufen für die Moslems. Da müßten ja jetzt eigentlich die Korane in Irland zensiert werden. (Ich frage mich gerade, ob ich wissen möchte, was passieren würde, wenn das tatsächlich angeordnet werden würde...)

- Jesus spricht zu den Juden über ihren Gott: "Ihr habt den Teufel zum Vater, und was euer Vater begehrt, wollt ihr tun! Der war ein Menschenmörder von Anfang an und steht nicht in der Wahrheit, denn Wahrheit ist nicht in ihm. Wenn er die Lüge redet, so redet er aus seinem Eigenen, denn er ist ein Lügner und der Vater derselben. " (Johannes 8:44, Bibel)
Wenn das mal nicht feistester, unverhohlener Anti-Semitismus ist, dann weiß ich nicht. Also: Bibel zensieren!

(eine weitere Liste nach diesem Gesetz nun blasphemischer Äußerungen, die, wenn verfolgt, diverse Bücherregale nennenswert ausdünnen dürften, findet sich hier)

Ein solches Gesetz, vor allem jedoch das Bestreben, das dazu führte, daß es überhaupt geschrieben und ratifiziert werden konnte, zeigt ein weiteres Mal, wie groß das Schutzbedürfnis und wie profund die Schwäche und im gleichen Zuge heillos die Wehrlosigkeit der Religionen ist, daß sie und ihre Vertreter nicht vor den schändlichsten Tat zurückschrecken, die freie Rede und Meinungsäußerung zu bekämpfen, die für unsere gesamte demokratische Zivilisation doch so elementar wichtig ist!
Eine grundsätzliche Frage ist hier doch: gibt es ein Recht darauf, sich nicht beleidigt zu fühlen? Kann man Menschen den Mund verbieten, um auf religiöse Empfindlichkeiten Rücksicht zu nehmen? Beides muß in einer Demokratie ganz klar mit "Nein" beantwortet werden.

Um es klar zu sagen: Ich habe keinen Respekt vor der Religion. Vor keiner. Und auch nicht vor religiösen Gefühlen. Ich werde das und mich über Religionen so oft und kritisch und scharf äußern, wie es mir beliebt. Ich mache hingegen niemandem seine Religion streitig und toleriere sie und ihre Ausübung, solange sie mit den Menschenrechten und der Verfassung vereinbar sind und ich würde jederzeit für die Verteidigung der Religionsfreiheit kämpfen. Aber noch wichtiger und heiliger und größer ist das Recht auf freie Meinung, Kunst und Rede. Ohne es ist Freiheit nicht denkbar. Ohne Religion schon.

Zum Schluß und um mich noch einmal eindeutig zu positionieren, zeige ich ein Bild von meinem neuen Lieblingsspielzeug: